
Prof. Dunja Kopi
Professorin Modedesign"Mode ist Kulturgut und kulturelle Praxis"
Dunja Marija Kopi ist Professorin für Modedesign. Sie lehrt an der Hochschule Macromedia in Leipzig und am Atelier Chardon Savard in Berlin. Ihr eigenes Modedesignstudium hat Kopi im Jahr 2005 an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle mit Auszeichnung abgeschlossen. Danach folgte ein Stipendium der Graduiertenförderung der BURG und eine Tätigkeit als künstlerische Mitarbeiterin in der dortigen Studienrichtung Mode. Seit 2005 arbeitete Kopi regelmäßig für die auf Sports-, Service- und Workwear spezialisierte Agentur VVERK mit Sitz in Berlin, für die sie Produktlinien und Kollektionen im Bereich Corporate Identity, Merchandise und Fashion gestaltete. Von 2009 bis 2018 entwickelte Kopi Kleidungsstücke und Accessoires für das eigene Label BÊTE NOIRE Berlin, das sie mit zwei weiteren Modedesigner*innen führte. Diese erschienen in unregelmäßigen Abständen in Form von Editionen. Dunja Kopi ist eine erfahrene Hochschullehrerin, die unter anderem an der Hochschule für Wirtschaft und Technik in Berlin, BSP Business School Berlin, der BBW Hochschule Berlin und zuletzt der Vitruvius Hochschule in Leipzig unterrichtete – welche dann in die Macromedia Hochschule überführt wurde.
Prof. Kopi, gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen Mode und Kleidung?
O ja, den gibt es für mich unbedingt. Neben der Funktionalität des Kleidungsstücks besitzt Mode zusätzliche Bedeutungsebenen. Mode ist Kulturgut und kulturelle Praxis. Sie kann Identität stiften, Ideen und Haltungen transportieren. Mode baut historische Bezüge auf – sei es in die Gegenwart, die Vergangenheit oder die Zukunft. Entsprechend funktioniert Mode für mich nicht ohne Bewusstsein für gesellschaftliche, kulturelle, künstlerische oder politische Erscheinungen, Vorkommnisse und Wirkprinzipien.
Das klingt jetzt ganz schön theoretisch. Geht es bei Mode nicht vor allem um Formen und Ästhetik?
Bei gelungenem Modedesign geht es auch um Formen und Ästhetik, sicherlich. Als Ausgangspunkt für den Gestaltungsprozess gilt für mich jedoch oft das Konzept. Die zum Konzept gehörigen Themen können alles sein: ein Statement, eine Gesellschaftskritik, die Durchleuchtung soziokultureller Entwicklungen, das Suchen und Forschen innerhalb modefremder Themen, aber auch die Interpretation von Texten, Filmen oder Musik, … Diese Themen definieren den konzeptionellen Raum, in dem der Gestaltungsprozess stattfindet. Das Konzept verschafft mir als Gestalterin die Möglichkeit, mich thematisch zu konzentrieren, dazuzulernen und dadurch gestalterische Entscheidungen zu treffen. Das Spektrum der Ergebnisse reicht hoffentlich weit. Die Übersetzung eines Konzepts in eine textile Äußerung kann sowohl ganz simpel als kontemporäre gestalterische Aussage im tradierten Modekontext, aber auch als textiles Artefakt eines kritischen gesellschaftlichen Diskurses verstanden werden.
Welche Themen beschäftigen Dich in Deinen eigenen Arbeiten?
Die Dimension der Nachhaltigkeit hat sich mit einer Vehemenz in der Modewelt etabliert, die ich als inspirierend für meine Arbeit erlebe. Als ich studiert habe, waren Konzepte wie ökologische Nachhaltigkeit, ökonomische Nachhaltigkeit oder soziale Nachhaltigkeit schlichtweg nicht präsent. Für meine Studierenden hingegen sind sie selbstverständliche Grundlagen ihrer Arbeit ebenso wie ihres gesamten Alltags und werden von ihnen auch in der Lehre gefordert. Fair Fashion, Fair Trade, Second Hand, Sharing Economy, Transparenz in den Wertschöpfungsketten und ressourcenschonendes Verhalten im Alltag eines jeden: diese Forderungen sind zentrale Positionen einer Generation, die in der Fridays-for-Future-Bewegung einen sichtbaren Ausdruck findet. Wenigstens genauso stark wie die Dimension der Nachhaltigkeit beeinflussen mich soziokulturelle Entwicklungen. Die zeitgenössischen Genderdebatten, die Fragen nach echter Diversität, die Kritik an kultureller Aneignung und der Respekt vor kulturellem Erbe – diese Themen erlebe ich als ungemein kraftvoll, gesellschaftlich und gestalterisch sehr relevant. Und dann ist da der Megatrend der Digitalisierung. Nicht nur, dass Mode im Internet omnipräsent ist, sich online anprobieren, bestellen und bewerten, tauschen und verkaufen lässt. Wir sind mittlerweile im Zeitalter der virtuellen Mode angekommen. Modedesigner*innen kreieren Outfits für virtuelle Welten, sowohl im dynamisch wachsenden Gaming-Bereich als auch für Inszenierungen realer Personen auf Social-Media Kanälen. Hier arbeiten die Designer dann eher wie Kostümbildner*innen, deren Entwürfe Projektionsfläche für gesellschaftliche Visionen sind.
Wie verstehst Du Deine Aufgabe als Hochschullehrerin?
Meine wichtigste Aufgabe als Hochschullehrerin sehe ich darin, Fragen zu stellen. Fragen wie: Was zeichnet eine Kollektion aus, wenn sie nicht mehr den tradierten Kollektionsprinzipien folgt? Warum ist ein bestimmtes Kollektionskonzept noch relevant? Welche Bedeutung besitzt gestalterisches Schaffen im Kontext des sich massiv verändernden Systems Mode? Wo ist der Platz des Modedesigners gesellschaftlich und global gesehen? Wohin entwickelt sich das bisher immer noch sehr klassisch aufgefasste Berufsbild der Modedesigner? Natürlich unterstütze ich die Studierenden dabei, diese Fragen gründlich zu bearbeiten und sie dann ebenso individuell wie stringent theoretisch und praktisch zu beantworten. Voraussetzung dafür ist, ihnen das erforderliche Handwerkszeug zu vermitteln, denn ohne die formalen und technischen Grundlagen des Faches zu beherrschen, würde den jungen Designerinnen und Designer schlichtweg die Sprache für ihre eigene Arbeit und die Reflexion der weltweiten, vielfältigen Referenzen fehlen. Bei allen Studierenden, die Modedesign als Erststudium wählen, ist dieser Bereich sicherlich der spannendste: Die Entwicklung eigener Positionen im Prozess der formalen Sprachfindung als Modeschöpferin und Modeschöpfer.